Die zwei Wirtschafswunder Deutschlands
Seit 1949 bildet das Modell der Sozialen Marktwirtschaft die Basis der deutschen Wirtschaftspolitik. Die Soziale Marktwirtschaft garantiert freies unternehmerisches Handeln und bemüht sich gleichzeitig um sozialen Ausgleich. Dieses in der Nachkriegszeit vom Bundeskanzler Ludwig Erhard entwickelte Konzept hat Deutschland auf einen erfolgreichen Entwicklungspfad geführt. Deutschland engagiert sich aktiv in der Gestaltung der Globalisierung und setzt sich für ein nachhaltiges globales Wirtschaftssystem ein, das faire Chancen für alle bietet.
Das Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg
Unmittelbar nach dem Krieg liegt die deutsche Wirtschaft am Boden. Ab den 50er Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft wieder und es trat nun der Begriff des „Wirtschaftswunders“ in die öffentliche Wahrnehmung. Das Bruttosozialprodukt (BSP) stieg, die Arbeiter verdienten immer mehr. Alle fanden Arbeit, die Zuwanderer aus dem Ostgebieten und die Bürger der frisch gegründeten DDR, die in den Westen flohen. Auf einmal gab es nach all den Jahren des Mangels wieder sehr viele Waren zu kaufen. Vor allem Autos wurden gebaut und so lief am 5. August 1955 der einmillionste VW-Käfer als vergoldetes Sondermodell vom Fließband. Der Käfer wurde zum Symbol des deutschen „Wirtschaftswunders“. Auch der Elektrobereich boomte: Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernsehgeräte und Radioapparate waren Verkaufsschlager. Firmen wie Krupp, die durch Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg in Verruf gekommen waren, durch Bomben stark zerstört und nach Kriegsende demontiert wurden, erholten sich in den 50er Jahren. Lokomotiven, Industrieanlagen, Maschinen und Motoren wurden in alle Welt verkauft. Die Bundesrepublik als Industriestandort lockte viele Investoren aus dem Ausland an - der Außenhandel blühte. „Made in Germany“ wurde zum Qualitätsmerkmal für Exportgüter. Die private Kaufkraft stieg damals auch an und die Deutschen gerieten in einen wahren Kaufrausch. Für viele Bundesbürger schien der Urlaub wieder in den Bereich des Möglichen zurückgekommen.
Der schnelle Aufstieg wurde durch verschiedene Rahmenbedingungen wie die Währungsreform, den Marshallplan und die Einführung der sozialen Marktwirtschaft sowie die Leistungsbereitschaft und den Aufbauwillen der Bevölkerung ermöglicht und vor allem mit Ludwig Erhard (1897-1977), dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, verbunden. Wichtig war auch das Londoner Schuldenabkommen im Jahr 1953, in dem die Schulden Deutschlands auf die Hälfte gesenkt wurden.
Neues Wirtschaftswunder nach der Finanzkrise im Jahr 2008
Die Finanzkrise im Jahre 2008 sowie die nachfolgende Schuldkrise haben die gesamte Eurozone getroffen - auch Deutschland. Die Bundseregierung hat daraufhin mit einer Doppelstrategie die Neuverschuldung gestoppt und Maßnahmen zur Stärkung der Innovationskraft ergriffen. Deutschland pflegte anders als etwa Großbritannien - wo man sich auf Banken und Finanzdienste konzentrierte - eine Industriebasis. Außerdem wuchs die Nachfrage aus Schwellenländern, vor allem in Asien und Südamerika. So legten die Exporte deutscher Firmen außerhalb Europas im Jahr 2016 mit einem Plus von 13,6 Prozent besonders stark zu. Ein Großteil der Ausfuhren ging aber auch 2011 wieder in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union; dorthin wurden Waren im Wert von 627,3 Milliarden Euro exportiert. Das waren laut Statistik fast zehn Prozent mehr als 2010.
2011 erhöhte sich in Deutschland das BSP breits wieder um 3 Prozent - ein vergleichsweise starker Zuwachs. 41 Millionen Deutsche waren in Lohn und Brot. Die Arbeitslosenzahl sank auf unter drei Millionen und damit auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Die deutsche Wirtschaft stößt damit in eine neue Dimension vor. Experten halten es längst nicht mehr für übertrieben, vom neuen deutschen Wirtschaftswunder zu reden.
Der deutschen Wirtschaft kommen auch die Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre zugute. Löhne und Lohnkosten sind in Deutschland zuletzt kaum gestiegen oder sogar gesunken - im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Volkswirtschaften. Damit sind deutsche Waren im Vergleich zur internationalen Konkurrenz billiger geworden. Trotz der Turbulenzen um den Euro: Die Deutschen profitieren nach wie vor stark von der Gemeinschaftswährung.